Demokratie und Vielfalt stärken, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenwirken! Hass und Hetze vorbeugen! Eine lebendige Demokratie braucht alle. Engagement ist eine Aufgabe, die Zeit braucht und Projekte funktionieren am besten, wenn sie ohne Unterbrechung arbeiten können.
Um all das zu ermöglichen und einen gesetzlichen Auftrag zu schaffen haben wir in der vergangenen Woche das Demokratiefördergesetz in erster Lesung im Bundestag beraten. Damit Demokratieförderung nicht länger ein „nice to have“ ist! Durch das Gesetz sichern wir, dass Demokratieprojekte, die Opfer-, Ausstiegs- und mobilen Beratungen über einen längeren Zeitraum arbeiten können und dafür die nötige Finanzierung vom Bund bekommen.
Meine ganze Rede zur 1. Lesung des Demokratiefördergesetzes vom 16. März findet Ihr hier:
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Weil es mich schon
auch nervt – das muss ich so klar sagen –, dass insbesondere die Union unsere demokratische Zivilgesellschaft ständig unter Generalverdacht stellt und eine Extremismusklausel fordert: Wie wäre es mit einer Extremismusklausel für Unionskandidaten für den Deutschen Bundestag? Vielleicht wäre uns dann die Kandidatur von HansGeorg Maaßen erspart geblieben.
Meine Damen und Herren, unsere Demokratie ist
wehrhaft. Das bedeutet, dass sie auch mit repressiven Instrumenten gegen all jene vorgehen kann und muss, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung angreifen. Was die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist, das hat das Bundesverfassungsgericht erst 2017 definiert. Die zentralen Elemente sind die Würde des Menschen, Rechtsstaatlichkeit und das Demokratieprinzip. Anders als manche vermuten, steht beispielsweise das politische Ziel, den Kapitalismus zu überwinden, nicht im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Auch das soll an dieser Stelle gesagt sein. Mit dem Demokratiefördergesetz schaffen wir erstmals den gesetzlichen Auftrag für den Bund, in den Bereichen Demokratieförderung, Extremismusprävention, Vielfaltsgestaltung und politische Bildung selbst aktiv zu sein und – das ist ganz wichtig – unsere Zivilgesellschaft finanziell zu unterstützen. Das ist überfällig, das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Meine Damen und Herren, wir erweitern mit dem Demokratiefördergesetz gewissermaßen unser Verständnis von wehrhafter Demokratie. Stellen Sie sich unsere Demokratie mal als einen öffentlichen Park vor! Dort gibt es verschiedene bunte, vielfältige Blumen und Pflanzen. Das ist auch alles völlig okay und so geduldet und toleriert, außer: Es gibt giftige Pflanzen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung angreifen. Dann geht der Staat her, im Zweifelsfall mit der Heckenschere, und
sagt: So nicht, liebe Leute! – Die Idee des Demokratiefördergesetzes ist im Prinzip die, dass wir in der anderen Hand Düngemittel und Wasser haben, um all diese Pflanzen unserer vielfältigen Demokratie zu gießen, um sie wachsen und gedeihen zu lassen, in der Hoffnung, dass
sie sich in ihrem demokratischen Gedanken verbreiten und weiter Wurzeln schlagen.
Konkret in Politik übersetzt bedeutet das, dass wir insbesondere durch politische Bildung – und die ist ein großer Bestandteil des Demokratiefördergesetzes – Menschen auch altersunabhängig dazu befähigen und ermächtigen wollen, sich in unserer Demokratie zu engagieren.
Und wir stärken die Menschen, die sich schon jetzt zivilgesellschaftlich in den Demokratieprojekten vor Ort, in der mobilen Beratung, in der Opfer- und Ausstiegsberatung mit aller Kraft einer Ideologie der Ungleichwertigkeit entgegenstellen. Wir sagen: Jawohl, die dort zu unterstützen, das ist unsere Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die ständigen Verdächtigungen gegenüber der Zivilgesellschaft – ich habe es schon gesagt – gehen mir zunehmend auf den Keks. Ich kann für die SPD-Fraktion
klipp und klar sagen: Wir begegnen der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe und mit Vertrauen. Auch deshalb wollen wir eine Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Förderprogrammen des Bundes im Rahmen des Demokratiefördergesetzes verbindlich und dauerhaft gewährleisten, meine Damen und Herren. Ein zentrales Element im Demokratiefördergesetz –
darauf kam ich schon kurz zu sprechen – ist das Ziel, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorzubeugen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, das ist nichts, was wir uns ausgedacht haben, sondern das ist ein wissenschaftliches Konzept, empirisch fundiert. Die Phänomene sind: Sexismus, Abwertung homosexueller Menschen, Etabliertenvorrechte, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Abwertung von Menschen mit Behinderung, Abwertung wohnungsloser Menschen, Abwertung von Sinti und Roma, Abwertung langzeitarbeitsloser Menschen, Abwertung von asylsuchenden Menschen. Um es in einfachen Worten zu formulieren: Traurigerweise sind das all die Dinge, die einen AfD-Abgeordneten jeden Morgen dazu motivieren, aufzustehen und
zur Arbeit zu gehen. Diese Einstellungen finden wir leider auch in der Mitte
der Gesellschaft vor. Beispielsweise stimmen knapp 20 Prozent der Deutschen der Aussage zu: Sinti und
Roma neigen zur Kriminalität. – Mit dem Demokratiefördergesetz wollen wir aus tiefster Überzeugung dafür sorgen, dass sich solche Einstellungen nicht weiter verbreiten, indem wir unsere Demokratie von innen stärken.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ministerin Lisa Paus, aber ganz besonders auch bei Nancy Faeser, die bereits in ihrer Vorstellung als Innenministerin gesagt hat: Der Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Deswegen ist die Vorlage dieses Gesetzentwurfs nur der konsequente nächste Schritt.
Herzlichen Dank.
Quelle: Plenarprotokoll 91. Sitzung https://dserver.bundestag.de/btp/20/20091.pdf