Keine Demokratie ohne politische Bildung

Politische Bildung gibt Menschen Werkzeuge und befähigt sie, für eigene Interessen einzustehen, sie auszuhandeln und durchzusetzen. Sie schützt präventiv die Grundlagen unserer Demokratie – damit es morgen nicht brennt.

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Meine ganze Rede im Volltext findet ihr hier:

Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der vorliegende Bericht gibt mir die Möglichkeit, drei Botschaften von diesem Pult zu senden.

Erstens. Weil sich politische Bildung immer dem Vorwurf ausgesetzt sieht, politisch nicht neutral zu sein, will ich das unterstreichen, was die Frau Ministerin zu Beginn der Debatte gesagt hat: Politische Bildung kann nie neutral sein; denn sie ist immer mit den Werten der Demokratie rückgekoppelt. Gleichheit, Pluralismus, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Minderheitenschutz sind nie verhandelbar, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der vorliegende Bericht sagt auch: Sie sind der „unhintergehbare Kern“ unserer Demokratie. Deswegen gilt umso mehr: Politische Bildung kann niemals neutral sein.

Zweitens. Politische Bildung ist auch keine gesellschaftspolitische Feuerwehr, die man anrufen kann, wenn es brennt. Sie ist vielmehr das Material, das die Säulen unserer Demokratie vor Feuer schützt. Diesen Brandschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es nicht zum Nulltarif. Folgendes Beispiel – wir alle kennen das aus unseren Wahlkreisen –: Es wird eine neue Schule gebaut. Ursprüngliche Kosten: 10 Millionen Euro. Dann verzögert sich das Ganze. Die Kosten für die Baumaterialien steigen. Plötzlich sind wir bei 17 Millionen, 18 Millionen Euro. Niemand käme ernsthaft auf die Idee, die Schule deshalb nicht fertigzubauen.

Für mich gilt das gleichermaßen für die Kinder- und Jugendarbeit. Da müssen wir noch ein bisschen stärker werden, was die Finanzierung angeht. Ich lade alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die daran ein ernsthaftes Interesse haben, herzlich ein, mit mir darüber ins Gespräch zu kommen, wie wir in diesem Bereich vielleicht mittel- und langfristig eine Dynamisierung der Finanzierung hinbekommen.

Drittens. Politische Bildung darf nicht im luftleeren Raum stattfinden. Achtung, Negativbeispiel: Schließen Sie einmal die Augen. Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem deutschen Klassenraum, vor Ihnen 27 Achtklässlerinnen und Achtklässler, es riecht nach Pubertät. Jetzt haben Sie als Lehrer die Aufgabe, denen zu erklären, wie bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag Überhang- und Ausgleichsmandate entstehen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden Sie bei diesem Unterfangen scheitern, weil es mit der Lebensrealität und den tatsächlichen Interessen der Kinder und Jugendlichen nichts zu tun hat.

Positivbeispiel: Ein Kollege aus meinem Wahlkreis, mit dem ich mich neulich unterhalten habe, hat mit Anfang 20 in dem Krankenhaus, in dem er seine Ausbildung gemacht hat, eine Betriebsvereinbarung ausgehandelt, die da besagt, dass Azubis in diesem Krankenhaus nicht mehr ohne Praxisanleitung arbeiten dürfen. Das hat dafür gesorgt, dass auf jeder Station zwei zusätzliche Stellen im Bereich der Krankenpflege geschaffen wurden. Das Rüstzeug für diese Verhandlungen hat er durch Bildungsangebote seiner Gewerkschaft bekommen. Meine Damen und Herren, das ist interessengeleitete politische Bildung.

Ich bin der festen Überzeugung: Jeder Mensch, egal ob ein Mitglied des Deutschen Bundestags oder ein kleines Kind, das gerade erst in die Kita gekommen ist, hat politische Interessen. Deswegen muss es die Aufgabe von politischer Bildung sein, jeden Mensch dazu zu befähigen, für diese Interessen einzustehen, sie auszuhandeln und sie auch durchzusetzen. Das sagt übrigens auch der vorliegende Bericht. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Quelle: Plenarprotokoll der 55. Sitzung des Deutschen Bundestages

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