Meine erste Rede im Deutschen Bundestag: § 219a StGB abschaffen!

Am 13. Januar durfte ich meine erste Rede im Deutschen Bundestag halten. Diese widmete ich dem Vorhaben der Ampel-Koalition, den § 219a StGB zu streichen. Damit werden wir das Informationsrecht von Ärztinnen und Ärzten stärken. Sie sollen nicht länger dafür bestraft werden können, wenn sie auf ihren Websites über Schwangerschaftsabbrüche informieren.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von webtv.bundestag.de zu laden.

Inhalt laden

Hier meine Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren!

„Mehr Fortschritt wagen“, das ist das Motto, das sich diese Koalition auf die Fahnen schreibt. Deswegen möchte ich meine erste Rede im Deutschen Bundestag einem Projekt dieser Ampelkoalition widmen, zu dem dieses Motto „Mehr Fortschritt wagen“ passt wie die Faust aufs Auge. Es geht um eine Norm, die schon im letzten Jahrhundert so wirkte, als sei sie von vorgestern. Es geht um einen alten Paragrafen, der nicht nur verstaubt und antiquiert wirkt, sondern der in seinem Grundsatz falsch ist – und auch reaktionär. Meine Damen und Herren, die Rede ist vom § 219a StGB.

Worum geht es?

Stellen Sie sich vor, Sie müssen einen medizinischen Eingriff vornehmen lassen, und Ihre zuständige Ärztin, Ihr zuständiger Arzt darf Sie nicht darüber informieren, dass er oder sie diesen Eingriff durchführen kann und was das bedeutet.

Dieser Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht hinnehmbar.

Es ist deswegen gut, dass diese Ampel sehr zügig, sehr rasch und aus tiefer Überzeugung heraus den § 219a streichen wird. Denn es kann nicht sein, dass Frauen im Jahre 2022 in Deutschland, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen müssen, mit dieser Realität konfrontiert sind. Diese zu ändern, dafür werden wir Sorge tragen.

In meinem Wahlkreis hat dieses Thema eine besondere Brisanz. Ich komme aus Gießen. Dort lebt und praktiziert die Ärztin Kristina Hänel. Kristina Hänel hat informiert, hat aufgeklärt, hat beraten. Man könnte auch sagen: Sie hat eigentlich nur ihren Job gemacht. Es beschämt mich zutiefst, dass sie aufgrund der geltenden Rechtslage mittlerweile eine verurteilte Straftäterin ist.

Liebe Frau Hänel, ich weiß, dass Sie zuhören. Ich sende Ihnen von dieser Stelle und im Namen aller Kolleginnen und Kollegen dieses Parlaments, die sich ebenso wie ich und ebenso wie diese Koalition dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet fühlen, einen herzlichen Gruß der Solidarität.
Aber wir belassen es nicht nur bei Solidarität. Wir werden erstens dafür sorgen, dass Schwangerschafts-abbrüche Teil der ärztlichen Ausbildung sein werden, wir werden zweitens die Versorgungssicherheit verbessern und drittens dafür sorgen, dass Gehsteigbelästigungen durch sogenannte Lebensschützer der nötige Einhalt geboten wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Umfrage aus dem Jahr 2018 hat eine repräsentative Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der Befragten gesagt: Ja, Ärztinnen und Ärzte sollten das Recht haben, diese Informationen auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. – Die gesellschaftliche Mehrheit für das Unterfangen, den § 219a abzuschaffen, ist doch längst vorhanden, meine Damen und Herren. Gescheitert ist dieses Projekt damals am Widerstand der Union.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, den eigentlich notwendigen gesellschaftlichen Fortschritt völlig unnötigerweise auszubremsen, das ist Ihre traurige Kernkompetenz.

Aber damit wird jetzt Schluss sein, meine Damen und Herren.

Wir werden dafür sorgen, dass aus dieser gesellschaftlichen Mehrheit für die Abschaffung des § 219a jetzt auch eine parlamentarische Mehrheit wird, und wir werden somit dafür Sorge tragen, dass sich der Fortschritt seinen Weg bahnt.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Quelle: Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 13.01.2022, S. 647f.

Weitere aktuelle Informationen